Verbraucherinsolvenzverfahren – letzter Ausweg?

Bis 2010 stieg die Zahl der Verbraucherinsolvenzverfahren in Deutschland am, um schließlich mit 139.110 Verfahren ihren Höhepunkt zu erleben. In den letzten 10 Jahren gingen die Zahlen wieder zurück und erreichten im Coronajahr 2020 mit 56.324 Verfahren ihren vorläufigen Tiefststand. Allerdings deutet alles darauf hin, dass die Zahlen 2021 sprunghaft steigen werden. Grund dafür ist eine Gesetzesänderung, die mit 2021, bzw. rückwirkend ab Oktober 2020 in Kraft tritt. Die Bedingungen für eine Privatinsolvenz haben sich geändert. Innerhalb von 3 Jahren verpricht das Verfahren die Schuldenfreiheit. Allerdings ist der Weg zur, Verbraucherinsolvenzverfahren, wie die Privatinsolvenz tatsächlich heißt, nicht immer einfach und auch das Verfahren selbst verlangt dem Betroffenen einiges ab. Wichtig also, sich vor der Einleitung mit Alternativen auseinanderzusetzen.

Was ist eine Insolvenz

Der Begriff Insolvenz lässt sich vom lateinischen Wort solvere , das zahlen bedeutet, ableiten. In der Gesetzgebung der meisten Länder ist ein Insolvenzverfahren vorgesehen. Ist ein Unternehmen nicht mehr in der Lage die Forderungen zu begleichen, dann ist es verpflichtet, ein Insolvenzverfahren zu beantragen. Im Verfahren übernimmt ein Insolvenzverwalter einen Großteil der Finanzen. Das Ziel ist es, die Höhe der Schulden und das verfügbare Kapital gegenüberzustellen. Das Geld wird zwischen den einzelnen Gläubigern aufgeteilt. Dazu wird die Höhe der Schulden beim jeweiligen Gläubiger für die Ermittlung der Quote herangezogen. Das Insolvenzverfahren hat als Ziel, dass die Gläubiger so viel Geld, wie möglich erhalten und die Beträge gerecht verteilt werden. Außerdem ist das Ziel, dass der Schuldner am Ende des Verfahrens schuldenfrei ist. Die Insolvenz, bzw. das Insolvenzverfahren wird eingeleitet, wenn Rechnungen nicht mehr bezahlt werden können, bzw. eine Überschuldung vorliegt.

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Kreditkarten sind oft der Grund für Schulden. Viele kleine Einkäufe summieren sich zu einer stattlichen Rechnung, die im Folgemonat ein tiefes Loch ins Monatsbudget reisst

Überschuldung

Der Gesetzgeber definiert die Überschuldung in der Insolvenzordnung. Als Unternehmen besteht eine Verpflichtung zur Insolvenz aus verschiedenen Gründen. Diese Insolvenzantragspflicht entsteht für Unternehmer dann, wenn eine Zahlungsunfähigkeit droht, oder bereits eingetreten ist. Der Grund für die Zahlungsunfähigkeit ist immer die Überschuldung.

Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt…

Insolvenzordnung §19, Ziffer 2 (Auszug)

Hat ein Unternehmen also mehr Schulden, als Vermögen, dann ist das ein Grund dafür, ein Insolvenzverfahren zu eröffnen. Der Insolvenzverwalter entscheidet darüber, wieviel Geld an die verschiedenen Schuldner bezahlt wird. Das Unternehmen kann unter bestimmten Umständen und mit Genehmigung des Insolvenzverwalters weitergeführt werden.

Verbraucherinsolvenzverfahren

Für eine Privatperson sieht das ganz ähnlich aus. Allerdings ist die Überschuldung nicht so eindeutig definiert, wie bei einem Unternehmen. Eine gängige Defintion für Überschuldung bei Privatpersonen ist, dass die Schulden höher sind, als das Jahreseinkommen. Trifft das zu, dann ist der Schuldner im Regelfall nicht mehr in der Lage die laufenden Kreditraten und andere Rückzahlungen zu leisten. Zahlreiche Briefe mit Mahnungen, Pfändungen und andere Schreiben von Anwälten langen regelmäßig ein und die Schuldenspirale beginnt sich zu drehen. Notwendige Dinge werden mit Ratenzahlung finanziert, oder der Disporahmen des Kontos wird ausgereizt. Die Verbindlichkeiten steigen und die Chance, die Schulden zurückzuzahlen sinkt immer weiter. Ein Insolvenzverfahren verspricht dafür eine Lösung.

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Justitia ist blind. Im Verbraucherinsolvenzverfahren werden alle Gläubiger gleich behandelt

Schuldnerberatung

Der erste Schritt auf dem Weg zum Verbraucherinsolvenzverfahren ist der Gang zur Schuldnerberatung. Mit Unterlagen über alle Einkünfte und alle Zahlungsverpflichtungen im Gepäck lässt man sich hier erst einmal beraten. Oft wird bei der Schuldnerberatung erstmals ein vollständiges Bild der Gesamtsituation gezeichnet. Genau dieser Gesamtüberblick ist wichtig, um die eigene Situatio zu verstehen. Schon in der Vorbereitung sollte man daher genau auflisten, welche Zahlungen anfallen und wo welche Beträge offen sind. Hat man diesen Überblick erstellt, fogt der nächste Schritt. Nun muss ein Schuldenbereinigungsplan erstellt werden. Wieviel kann man jedem Gläubiger bezahlen. Hat man diesen Plan erstellt, müssen alle Gläubiger kontaktiert werden. Konkret werden die Gläubiger darüber informiert, dass man selbst nicht in der Lage ist, die Schulden vollständig zurückzuzahlen. Man unterbreitet einen Vorschlag, nur einen Teil der Schulden zu bezahlen und bitte darum, den Rest der Schulden nachzulassen.

Schuldenbereinigungsplan

Was auf den ersten Blick unwahrscheinlich erscheint, führt nicht selten zum Erfolg. Die Alternative für die Gläubiger ist das Verbraucherinsolvenzverfahren. Damit verlieren sie jedes Mitspracherecht. Der Insolvenzverwalter entscheidet über die Quote. Am Schluss des Verbraucherinsovenzverfahrens steht die Restschuldbefreiung. Damit werden die offenen Schulden durch das Gericht erlassen und der Gläubiger sieht dafür keinen Cent mehr. Es ist also nicht ganz unwahrscheinlich, dass die Gläübiger sich auf eine faire Vereinbarung einlassen. Diese Phase bedingt viel Korrespondenz mit großen Unternehmen und allen anderen Gläubigern. Zahlreiche Anwälte und Unternehmen bieten daher Hilfe bei Schulden an. Sie unterstützen bei der Ordnung der Finanzen, der Erstellung des Überblicks und der Ausarbeitung des Schuldenbereinigungsplans. Das Verbraucherinsolvenzverfahren kann damit evtl. umgangen werden. Lehnt aber nur ein einziger Gläubiger den Vorschlag ab, dann kann der Antrag gestellt werden.

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Ein Plan zum Begleichen der Schulden ist der erste Schritt auf dem Weg zur Schuldenfreiheit

Ablauf Verbraucherinsolvenzverfahren

Der Ablauf des Verbraucherinsolvenzverfahren ist immer ähnlich und erfolgt in 5 Schritten:

  1. Schuldenbereinigungsplan und Versuch einer außergerichtlichen Einigung
  2. Bescheinigung über erfolglosen Versuch einer Einigung
  3. Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahren
  4. Wohlverhaltensphase
  5. Restschuldbefreiung

Hat man erfolglos versucht, sich mit den Gläubigern zu einigen und aus eigener Kraft aus den Schulden zu kommen, folgt der Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Nach wenigen Wochen wird das Verfahren eröffnet und der Insolvenzverwalter bestimmt. Zu dem Zeitpunkt sollte man bereits ein Konto mit Pfändungsschutz eingerichtet haben. Dieses P-Konto wird seitens der Bank so gestaltet, dass der für das Leben notwendige Betrag nicht abgebucht wird. Über die Höhe der Rückzahlungen entscheidet der Insolvenzverwalter. Die Pfändung des Kontos ist allerdings unmöglich.

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Ein schneller Kredit ist in den meisten Fällen keine nachhaltige Lösung

Wohlverhaltensphase

Die Wohlverhaltensphase ist der Kern des Verbraucherinsolvenzverfahrens. Nach der Antragstellung wird das Verfahren im Regelfall innerhalb eines Monats eröffnet und dauert etwa ein Jahr. In dieser Zeit sammelt der Insolvenzverwalter alle Zahlen und Fakten und tritt mit allen Gläubigern in Kontakt. Er definiert die Höhe des pfändbaren Betrags, erfasst also alle Einkünfte und den gesamten Besitz. Darauf basierend legt er den Betrag fest, der monatlich zur Begleichung der Schulden verfügbar ist. Dieser wird monatlich an den Insolvenzberater bezahlt. Einmal jährlich bezahlt dieser dann, gemäß des Aufteilungsschlüssels, an die Gläubiger aus. Nach Abschluss des Insolvenzverfahrens läuft die sogenannte Wohlverhaltensphase. Sie dauert vom Abschluss des Verfahrens bis drei Jahre nach der Eröffnung. Der Schuldner muss in der Wohlverhaltensphase ein paar Regeln einhalten.

  • Man muss einem Erwerb nachgehen und sich um eine Anstellung bemühen, wenn man arbeitslos ist
  • Die Hälfte von Erbschaften und Schenkungen müssen an den Insolvenzverwalter abgegeben werden
  • Umzüge und Wechsel des Arbeitgebers müssen dem Insolvenzverwalter bekanntgegeben werden
  • Keine neuen Schulden, bzw. keine vorsätzlichen und grob fahrlässigen neuen Verbindlichkeiten
  • Keine direkte Zahlung an Gläubiger

Vor- und Nachteile der Privatinsolvenz

Der unumstrittene Vorteil der Privatinsolvenz ist die Aussicht, nach drei Jahren komplett schuldenfrei zu sein. Nach drei weiteren Jahren werden auch die Schufa-Einträge gelöscht. Auch die mentale Belastung, die durch die übermächtigen Schulden entsteht, lässt nach. Zwar wird ein großer Teil des Einkommens einbehalten und für die Tilgung der Schulden verwendet, aber der festgelegte Betrag zur Bestreitung der laufenden Lebenshaltungskosten ist unantastbar. Schränkt man sich entsprechend ein und geht keine neuen finanziellen Verpflichtungen ein, kann man also ein vergleichsweise sorgenfreies Leben führen. Allerdings hat auch die Privatinsolvenz Nachteile. So wird der Arbeitgeber über das Insolvenzverfahren informiert. Geschäfte, die einen Schufa-Auskunft bedingen sind fast unmöglich. Gegebenenfalls wird auch die Ehepartnerin, oder der Ehepartner berücksichtigt und muss Einschränkungen in Kauf nehmen. Nicht zuletzt geht es bei der Privatinsolvenz aber auch darum, dass Gläubiger auf den Schulden sitzen bleiben.

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Die Belastung, die Schulden mit sich bringen, ist enorm

Restschuldbefreiung

Die Restschuldbefreiung am Ende des Verbraucherinsolvenzverfahrens sorgt dafür, dass alle offenen Schulden getilgt werden. Das Gericht verfügt also, dass ein Teil der Schulden nicht mehr zurückgezahlt werden muss. Das ist bei großen Unternehmen meist leicht zu verschmerzen. Schwieriger ist das, wenn man Schulden bei kleinen Firmen, oder Privatpersonen hat. Der freundliche Nachbar, oder die Freundin, die mit etwas Geld ausgeholfen hat, wird bei der Privatinsolvenz genauso behandelt wie der Versandhändler, der monatlich mehrere Millionen umsetzt. Es macht also nicht zuletzt aus Gründen der Fairness Sinn, sich andere Wege für die Aufarbeitung des Schuldenbergs zu suchen. Das Verbraucherinsolvenzverfahren ist immer dann sinnvoll, wenn es keinen anderen Ausweg gibt. Dabei wird allerdings alles, was pfändbar ist, auch verkauft. Versicherungen, das Auto, Ersparnisse und alle Gegenstände von Wert kommen unter den Hammer. Die verschiedenen Möglichkeiten abzuwägen und aus eigener Kraft aus den Schulden zu kommen sollte also die erste Wahl sein.

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